31.12.1997 PDF

Stoffkundebroschüre - Lachgas

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Lachgas oder Distickstoffmonoxid ist ein farbloses, geruchloses und nicht brennbares Gas, das auch, solange während des Konsums daran gedacht wird, genug Sauerstoff zu sich zu nehmen, keine gesundheitliche Beeinträchtigung verursacht. Wird das Lachgas jedoch direkt aus der Kartusche inhaliert, kommt es leicht zu Erfrierungen aufgrund der starken Dekompression.
Bevor es sich als medizinisches Narkotikum durchsetzen konnte, erfreute es sich im letzten Jahrhundert als Jahrmarktsattraktion großer Beliebtheit. In der Tat erscheinen die rauschartigen Nebenwirkungen bei kurzer und intensiver Inhalation interessanter als die medizinisch beabsichtigte Wirkung. Lachgas eignet sich nur für leichte Betäubungen, und mit der Zeit wurden effizientere Narkotika entwickelt.
Über den physiologischen Wirkungsablauf ist bisher noch nichts richtig bekannt. Wie bei allen anderen Narkotika lässt sich eine stufenweise Inhibition der neuronalen Impulsübertragung beobachten, wobei Bewusstsein und Sinneswahrnehmung zuerst und die lebenserhaltenden Basisfunktionen zuletzt betroffen sind. Lachgas ist das einzig bekannte anorganische Narkotikum; es wird angenommen, dass es sich eher um einen biophysikalischen als biochemischen Zusammenhang handelt.
In den letzten Jahren wurde Lachgas wieder in der Jugendkultur Mode. Zwar wird es von vielen gerne beispielsweise auf Partys konsumiert, doch lässt sich Lachgas kaum mit anderen üblichen "Partydrogen" und entsprechenden Konsumformen vergleichen. Der Spaß ist kurz (ca. 10 bis 30 Sekunden) und die mühsam angeschleppte Gasflasche schnell leer. Der Rausch kommt unmittelbar nach dem Einatmen und ist sehr intensiv und entrückt. Was allerdings dabei so intensiv geschieht, ist eher diffus und sehr unterschiedlich, erst recht in Wechselwirkung mit anderen Stoffen (v.a. LSD). Festhalten lässt sich vielleicht eine starke Veränderung der akustischen Wahrnehmung, des Zeitempfindens und irgendwelcher Empfindungen im Körper, und Minuten später noch eine leichte Benommenheit des Tastsinns an manchen Stellen. Mit Schwinden der Sinne ist es vielleicht am besten beschrieben; wer schon einmal eine Vollnarkose erlebt hat, wird einiges von dem Weg dahin im Lachgasrausch wiedererkennen. Während der Rausch abklingt, finden viele das Ganze so komisch oder blöd, dass sie grundlos zu lachen anfangen müssen. Anschließend kann sich eine leichte Schlappheit einstellen.
Konsumiert wird Lachgas aus Luftballons, die zuvor an einer Gasflasche gefüllt wurden. Erst wird ausgeatmet, dann lässt man die Luftballonfüllung in die Lunge strömen. Während manche UserInnen das mehrfache Aus- und Einatmen in den Luftballon bevorzugen, dabei freilich den Kohlendioxidgehalt in ihrer Atemluft ins Ungesunde, mindestens aber Unangenehme erhöhen, reicht es in der Regel hin, einmal sehr tief zu inhalieren. Die Luft kann angehalten werden, bis die ersten Wirkungen spürbar werden, ohne sich Sorgen um einen Blackout machen zu müssen.
Lachgas bekommt man entweder in großen Flaschen in einer Gashandlung für medizinische und technische Gase (allerdings auch nicht mehr in allen Bundesländern ohne weiteres) oder als Gaspatronen für Sahneaufschäumgeräte. Das Konsumieren aus den Patronen erfordert ein wenig bastlerischen Aufwand: Die Patronen müssen mit einem Bohrer angebohrt werden, worauf man anschließend einen großen, stabilen Luftballon mit einem Handbohrer darin über die Spitze der Patrone zieht und das Drucksiegel durchbricht. Beim Ausströmen des Gases wird die Patrone, nunmehr Korken des Ballons, extrem kalt!



LITERATUR
Über Lachgas ist wenig Literatur bekannt. In "Hagers Handbuch der pharmazeutischen Praxis" befindet sich ein lesenswerter Artikel, und in ihrer Autobiographie hat ausgerechnet die stockspießige Enid Blyton von einem Lachgas-Trip berichtet - nachgedruckt in Rippchen (Hg.), "TänzerInnen zwischen Himmel und Hölle" (Piepers MedienXperimente). Den Medien war es nach kurzem Neueschlimmedrogerummel kaum eine Erwähnung mehr wert, und die Undergroundliteratur lässt auch noch auf sich warten.