16.01.2012 PDF

„Grausam, aber notwendig.“ - Ein Kreuzritter mit Maschinengewehr

Ende Juli wird der Osloer Regierungsbezirk zu Teilen in die Luft gejagt und am selben Tag das Jugendcamp der norwegischen Sozialdemokratie angegriffen. Insgesamt werden 76 Menschen regelrecht hingerichtet. Auch wenn gemäß dem gewohnten Feindbild zunächst Islamisten der Tat verdächtigt werden, stellt sich heraus, dass der Massenmord von einem jungen Norweger (A. Breivik) begangen wurde. Die Öffentlichkeit hat damit eine schwer verdauliche Kost zu schlucken: Der Feind kommt aus dem Inneren, es ist einer „aus den eigenen Reihen“. Wie kann das angehen? Wie kann aus einem ganz normalen Bürger eine „Killer-Bestie“ (BILD) werden? Ist er wahnsinnig? Ein Psychopath?1 Ein Rechtsextremer? Kann man überhaupt von Terrorismus sprechen? Das sind die Fragen, welche sich die Öffentlichkeit sogleich stellt und es sind Fragen, welche die Nichtbefassung mit den inhaltlichen Motiven des Anders Breivik zur Grundlage haben. Bei dem Stichwort Psychopathen ist jedem klar, dass triebmäßig agiert wird, die Handlung sich dem Denken entziehe. Ein Wahnsinniger handelt der Definition nach irrational, weshalb man sich mit seinen Argumenten nicht auseinanderzusetzen braucht. Mit der Kennzeichnung rechtsextrem scheint sowas wie eine inhaltliche Charakterisierung gemacht zu werden, meist ist damit in der bürgerlichen Öffentlichkeit aber eh nur gesagt: „Rechtsextreme die sind keine Demokraten und deshalb schlecht“. Lippestadt, der Pflichtverteidiger von Breivik drückt das so aus. Die Tat war der Sache nach ein „Krieg gegen unsere Werte. Gegen unsere Demokratie, gegen unsere Offenheit“.2 Inwiefern dieses große „Wir“ ge- und betroffen ist, wird später noch zu erläutern sein. Auch wenn aus dem Pamphlet von Breivik „2083 – Eine Europäische Unabhängigkeiterklärung“ immer wieder zitiert und sogar zugestanden wird, dass diese Propaganda der Tat im Zusammenhang mit einem geistigen Klima namens „Rechtspopulismus“ oder „Islamkritik“ zu sehen sei, wirklich ernst scheinen Breiviks Aussagen nicht genommen zu werden. Sie werden auch nicht kritisiert, es wird stattdessen konstatiert, dass dieses „Geschreibsel“ schon sehr „irrational“ klinge und damit hat die inhaltliche Befassung ein Ende gefunden.

Das hat seine Grundlage darin, dass die bürgerliche Öffentlichkeit ihre radikalen Früchte, die sie in der Radikalität nicht will, nicht als ihre Früchte erkennen will. Wir wollen Breivik dagegen einmal in seinen Aussagen ernst nehmen, aufzeigen, wie er ein geistiges Kind des bürgerlichen Mainstream ist und wo er sich genau unterscheidet.

 

1. Was läuft so gewaltig schief in den Augen Breiviks?

Der Multikulturalismus (kultureller Marxismus/Political Correctness) ist, wie Ihnen bekannt sein sollte, die entscheidende Ursache der schleichenden Islamisierung Europas, die mittels demografischer Kriegsführung zur schleichenden islamischen Kolonisierung Europas führte (gefördert von unseren Politikern).“3

"Wir stimmen alle darin überein, dass Multikulturalismus eine anti-europäische/ anti-christliche Hassideologie ist, die darauf abzielt, Europas Identität, unsere Kultur/Tradition und den europäischen Nationalstaat zu vernichten."4

Während sich die Kolonisierung durch den Islam Jahr für Jahr immer weiter ausbreitet, hindert uns die irrationale Angst vor nationalem Denken, unseren eigenen nationalen/ kulturellen Selbstmord aufzuhalten.“5

Über 10 Jahre ist es her, dass Islamisten aufsehenerregende Anschläge in den USA durchgeführt haben. Die Ziele, das World Trade Center und der Pentagon, machten deutlich, dass die militärische und wirtschaftliche Präsenz der USA in der ganzen Welt, getroffen werden sollte. Im Zuge des darauf beschlossenen Weltkrieges gegen den Terror, dem sich die europäischen Verbündeten angeschlossen haben, gerieten auch diese in das Visier von politischen Aktivisten, die sich auf den Islam berufen – London, Madrid. Seit 10 Jahren läuft die Debatte im Westen, ob diese Taten im Islam begründet seien oder nicht. Die westlichen Staaten haben ihre Einwanderungsgesetze und Sicherheitspolitik verschärft und einen Dauerverdacht gegen muslimische Migranten bezüglich ihrer nationalen Loyalität gefahren. Sie verlangen von ihren Migranten 150%ige Treue in Fragen des Rechts, der nationalen Gesinnung und sittlichen Orientierung und setzen auch schon einmal ein Kopftuchverbot im Namen nationaler Leitkultur durch.

Menschen aus der arabischen Welt kommen zu dem Schluss, dass der mangelnde Erfolg der dortigen Länder daran liege, dass sich deren Bevölkerung nicht an die richtigen Werte halte, die Leitkultur Islam vernachlässigen. Der Westen wird als Beihelfer dieser Morallosigkeit ausgemacht, wenn er die dortigen Länder mit der westlichen Kultur überspüle und so die arabische Welt schwäche – so die Diagnose der Islamisten.6

Politiker des Westens, die sich über mangelnden Erfolg in der Welt nicht beklagen müssen, bemühen sich ebenfalls um eine Leitkultur und Wertebewusstsein in der Gesellschaft, die sich an einer abendländischen christlichen Tradition orientieren soll. Die Multikulti-Gesellschaft ist in Deutschland nach den Worten der Kanzlerin fehlgeschlagen: „Dieser Ansatz ist gescheitert, absolut gescheitert"7. Der Innenminister Friedrich stellt öffentlich fest: „Das der Islam zu Deutschland gehört, ist eine Tatsache, die sich aus der Historie nirgends belegen lässt". Der Bundespräsident nutzt den Tag der deutschen Einheit, um eine Kampfansage loszuwerden: „Wer unser Land und seine Werte verachtet, muss mit entschlossener Gegenwehr rechnen.“8

So sieht das politische Programm und öffentliche Klima nicht nur in Deutschland, sondern auch in Norwegen oder anderen westlichen Staaten aus. Diese Diagnosen teilt Breivik: Erstens will er den Erfolg Norwegens. Dafür hält er eine christlich-abendländische Leitkultur, die er in Europa angesiedelt sieht, für sehr wichtig. Der Islam passt nicht dazu, weil er einfach eine andere Kultur ist. Wer dieser Kultur anhängt kann kein solider Parteigänger einer europäischen Nation sein, also auch nicht von Norwegen. Die Verbreiterung dieser Kultur durch Migration oder Erziehung in Familien schwächt also die eigene Nation ganz prinzipiell, in deren Einheit ihre Stärke erblickt wird. Dazu bräuchte es noch nichtmal den Hinweis auf die Anschläge. Dass sich weltweit Menschen im Namen des Islam gegen die westliche Kultur militant aufstellen, unterstreicht die eigene Meinung: Der Islam ist eine „tödliche Bedrohung für den Westen“.9 Was Breivik zunächst von den regierenden Demokraten in Europa unterscheidet ist die Kriegsrethorik, in der Breivik seine Gesellschaftsanalyse ausdrückt. Bei den Demokraten kommt sowas auch vor, bei Breivik ist sie dominant und zeigt an, wie schwerwiegend er dieses Thema für die Zukunft der Nation hält.

 

Breivik, wie die bürgerlichen Politiker, sind Parteigänger von kapitalistischen Nationalstaaten. Die Staaten organisieren für ihre Gesellschaft eine kapitalistische Konkurrenz, in der alltäglich ein Hauen und Stechen stattfindet, damit der Reichtum insgesamt wächst und so den Staat stark und mächtig macht. Dabei fällt eine Menge Armut an, die auch gewollt ist, schließlich braucht die Nation fleißige und willfährige Arbeiter_innen. Der wirtschaftliche Erfolg der Nation hängt dabei in erster Linie nicht davon ab, was die Menschen sich dabei so denken, welchen Werten sie anhängen, welche Religion sie ausüben. Vielmehr geht es dabei darum, wieviel Geld die Gesellschaft mobilisieren kann, das dann in Unternehmen und Banken investiert wird, die dann direkt oder vermittelt einen Arbeitseinsatz organisieren, der sich Konkurrenztechnisch mit anderen Nationen messen lassen kann. Kapital ist die entscheidende Basis für den Erfolg der Nation. Wie gut eine Nation in der weltweiten wirtschaftlichen Konkurrenz abschneidet, wie gut deshalb der Staat sich auch ein schlagkräftiges Militär leisten kann und wie gut das alles dazu dient, auf die Welt für den nationalen Erfolg Einfluss zu nehmen, das ist eine Frage von Kapital und dessen Erfolg aus der nationalen Arbeiterschaft viel herauszuholen.

Allerdings ist der Nationalismus eine Produktivkraft bei dieser gesamtgesellschaftlichen Unternehmung. „Frage nicht was dein Land für dich tun kann, sondern was du für dein Land tun kannst!“, hat J.F. Kennedy der Bevölkerung einst geraten. Politiker wollen eine Bevölkerung, die prinzipiell für die Gesellschaft einsteht, egal ob das für die Menschen einen Vorteil mit sich bringt. Politiker, die ständig damit beschäftigt sind, gegen die Menschen etwas durchzusetzen – das heißt regieren – finden eine Geisteshaltung toll, die nicht immer nachrechnet, sondern mit der Nation durch dick und dünn geht: Armut dauerhaft ertragen, im Krieg sterben – darin einen Sinn sehen, das ist der Vorteil des Nationalismus für Politker. Die Bevölkerung verlangt sich diese Einstellung auch wechselhaft ab und sieht in einer ordentlichen Portion Nationalismus ein unverzichtbares Band für den Erhalt der Gesellschaft, die sie wollen. Und weil es beim Nationalismus gerade nicht um materielle Berechnungen gehen soll, wie es im wirtschaftlichen Alltag gang und gebe ist, gibt es im jeden Land noch sowas wie eine Leitkultur mit Werten. Diese sollen einen Leitfaden für den Alltag geben, der aber über dem Alltag steht. Wie die begründet wird, da scheiden sich manche Geister und die FDP findet den Bezug auf die christliche Religion nicht ganz so wichtig wie die CDU. Einig sind sich aber alle: Es braucht einen Leitfaden fürs Mitmachen, der mit so hohen Kalibern wie Werten und Traditionen unhintergehbar gültig sein soll. Sich da auf Gott zu beziehen, an dem ja nun wirklich keiner vorbei kommt – wenn man an ihn glaubt –, da sind sich die europäischen Regierungen mit Breivik einig – das ist so ein gutes Fundament. Alles was Europas Bürger so treiben: zur Schule und Uni gehen, arbeiten, Geld verdienen, wählen usw. geschieht also oder sollte zumindest für den christlichen Herren geschehen, das Christentum ist ja schließlich das, was Europa zusammenhält, ja seine eigentliche Grundlage bilden solle.

Das wäre auch schon unsere Kritik an Breivik: Er ist ein Parteigänger von Gesellschaften, die den darin lebenden und nicht lebenden Menschen Leid zufügen. Er will eine Geistungshaltung, die das Mitmachen in so einer Gesellschaft garantiert, indem gerade nicht gefragt wird, hab ich und die Menschen, die mir wichtig sind, etwas von dieser Gesellschaft.

 

Der Unterschied in der Analyse zwischen Breivik und bürgerlicher Regierungen besteht darin, dass letztere die muslimischen Menschen in Europa skeptisch beäugen, aber mit der Forderung nach Integration die Möglichkeit behaupten, dass der Islam sich in die Pflicht für die Nationen nehmen lassen kann, also integrierbar sei. Dass man den Islam erst integrieren muss, wirft dabei natürlich schon wieder ein schlechtes Licht auf denselben und macht von der bürgerlichen Front daher immer wieder die zweifelnde Frage auf, ob das überhaupt geht. Breivik unterscheidet sich hier durch sein konsequentes Urteil, das das garantiert nicht geht. Da schwimmt er mit Leuten wie Sarrazin und anderen Rechten auf einer Linie. In seinen praktischen Forderungen spricht Breivik darüber hinaus dann aber auch aus, was die logische Konsequenz aus dem Gedanken für einen Nationalisten ist:

Sie sollen massenweise deportiert10 und bei Weigerung hingerichtet werden! In dem Punkt geht Breivik über den normalen Rechtspopulismus hinaus, welcher sich demokratisch wählen lassen will und nicht offen für die Hinrichtung von Menschen agitiert. In diesem Sinne ist er dann auch so einzuschätzen, wie die Neonazi-Mörder aus Deutschland. Nur hat Breivik nicht angefangen vermutete Muslime umzubringen, sondern eine Schuldfrage aufgemacht:

 

2. Die Schuldfrage

Die Europäische Union überlässt den Kontinent systematisch kampflos unseren schlimmsten Feinden. Als die französischen, dänischen und irischen Wähler die EU-Verfassung zurückwiesen, machten die Eliten der EU weiter, als wäre nichts geschehen. Wenn jedoch die islamische Welt verlangt, die EU solle die 'Islamophobie' ausmerzen, dann stimmen sie sofort bereitwillig zu. Eine Organisation, die nicht nur die Interessen des eigenen Volkes missachtet, sondern sogar die Interessen der Feinde des eigenen Volkes bedient, wird zum Feind des eigenen Volkes, eine Klasse verächtlicher Verräter. Das ist die Europäische Union der Gegenwart.“11

"Der Name des Teufels: kultureller Marxismus, Multikulturalismus, Globalisierung, Feminismus, Egalitarismus - ein Rezept zum Untergang."12

Den Grund für den Untergang der euopäischen Nationalstaaten entdeckt Breivik in fehlgeleiteter, ja verräterischer Politik und ihrer gleichgesinnten Presse. Diese Elite verfehle nämlich ganz offensichtlich ihren Job, Einheit und Fortkommen der Nation zu befördern, indem sie dem Islam die Tore öffne und zu allem Überfluss auch noch für ein mehr an Toleranz gegenüber denjenigen werben, die doch gerade die Macht in Europa unberechtigterweise übernehmen wollen! Er entdeckt in der Politik, in den Medien, im Hochschulwesen – kurz im „Establishment“ lauter Verräter am europäischen Volk, wenn artfremdes Volk hineingelassen wird. In der nun wirklich spärlichen Grenzöffnung macht Breivik eine „Marxistisch-Islamische-Allianz“ aus, insbesondere die in Norwegen regierenden Sozialdemokraten (=Marxisten) lassen nämlich gerade die Zerstörer und Feinde des Christentums ins Land und richten sich damit praktisch gegen das eigene Volk. Gegen solcherart „verächtlicher Verräter“ muss seiner Ansicht nach etwas getan werden: „Wenn die Arbeiterpartei ihre ideologische Linie weiter verfolgt und die norwegische Kultur zerstört und Moslems massenhaft importiert, müsse sie für diesen Verrat auch die Verantwortung übernehmen.“13 Insofern er insbesondere in der Sozialdemokratie Volksverräter sieht, welche die Volksfeinde gewähren lassen, ist es für ihn auch sachgerecht sich nicht etwa selbst an die Deportation von Muslimen zu machen, sondern den Sitz des Führers der Sozialdemokratie und ihren politischen Nachwuchs anzugreifen.

 

So weit, so schlecht: Der Nationalist Breivik macht also in der Anwesenheit und Vermehrung vom Muslimen die Zersetzung und damit Schwächung des „europäischen Nationalstaates“ aus, dessen Politiker befördern diese Zersetzung und begehen damit Verrat am eigenen Volk. So weit sein politisches Programm. Wie kommt er nun zu seinem Rachefeldzug, zur Wahl seiner brutalen Mittel?

 

3. Seine Tat & sein Selbstbild

Seine Tat, sei laut Breivik selbst „grausam, aber notwendig“ gewesen. Er habe mit seinem Feldzug Opfer für etwas Höhreres gebracht. Schließlich steht für ihn die Rettung des christlichen Europas, seine Befreiuung von islamischer Fremdherrschaft auf dem Programm. "Eine einzelne Person mit einer Überzeugung ist so mächtig wie Hunderttausende, die nur Interessen verfolgen." So ein Mensch setzt sich nicht einfach für seine schnöden paar Bedürfnisse nach einem guten Leben oder sonstwas ein, der ist opferreicher Diener einer hohen Sache, in diesem Falle der europäischen Christenheit: „..ich habe Gott erklärt, dass er dafür sorgen muss, dass die Krieger, die für den Erhalt des Europäischen Christentums kämpfen, obsiegen müssen. Es sei denn, er wünscht, dass die Marxistisch-Islamische Allianz ... das Europäische Christentum vernichtet. Er muss sicherstellen, dass ich Erfolg habe mit meiner Mission, und dazu beitragen, Tausende andere revolutionäre Konservative/Nationalisten, Anti-Kommunisten und Anti- Islamisten in der europäischen Welt zu inspirieren.“14 Dass er sich zu allem Überfluss auch noch als Kreuzritter empfindet, lässt ihn einerseits abgedreht anachronistisch erscheinen, gibt ihm in seinem Bild jedoch den traditionsreichen Schein, auf dem richtigen Wege eines „gerechten Kampfes“ unterwegs zu sein. Gleich den Templern will schließlich auch er das heilige Land Europa von der „islamischen Fremdbeherrschung“ befreien und entsprechend seiner Idee vom „Rassenkampf“, den er führe, wählt er sich auch kriegerische Mittel aus. Diesem Kampf ordnete Breivik sein Leben unter und beließ es nicht nur beim freien Denken über „Überfremdungsprobleme“, sondern schritt dagegen praktisch zur Tat – darin liegt der „Wahnsinn“ den die hiesige Öffentlichkeit nicht verstehen will. Als ein solcher Tempelritter will er den Widerstand gegen die „Kulturmarxisten“ organisieren, indem er als Teil dieser Avantgarde Attentate ausübt, welche gar nicht für sich groß was ausrichten, jedoch Widerstand demonstrieren sollen, um damit andere Gleichgesinnte zu erreichen: "Um der kulturellen Hegemonie der marxistischen/multikulturellen Medien erfolgreich zu begegnen, müssen wir gewaltsamere und atemberaubendere Maßnahmen ergreifen, die auch Tote einschließen. Um für dieses Attentat einen einflussreichen Effekt zu erzielen, müssen wir auch Terroranschläge und den Einsatz von Massenvernichtungswaffen miteinbeziehen."15 Seine Aktion reiht sich ein in das politische Mittel der „Propaganda der Tat“. Ihm ist bewusst, dass mit der Hinrichtung von 76 „Verrätern“ sein Ziel nicht erreicht ist. Jedoch sollen „andere revolutionäre Konservative/Nationalisten, Anti-Kommunisten und Anti- Islamisten“ von seiner Tat „inspiriert“ werden. Diese will er gar nicht unbedingt für seine Sache überzeugen – ihre Einigkeit ist für ihn unterstellt – er will sie organisieren, sie sollen „aufgerüttelt“ und „für den Erhalt des eurpäischen Christentums“ - die identitäre Basis europäischer Stärke - kämpfen. Der pure Effekt soll sie zum Mitmachen bringen.

 

4. Islamkritiker

Spätestens an dieser Ecke distanzieren sich dann auch die Nationalisten, welche dem neuen „Rechtspopulismus“ oder der „Islamkritik“ zuzurechnen sind.

English-Defence-League: „Wir stimmen damit überein, dass der Islam ein ernstes Problem darstellt, ein Problem, dass in der ganzen Welt in den letzten Jahren viele tausend Menschenleben gefordert hat“, Gewalt aber „sei nicht die Antwort“ darauf.16

Das Massaker sei „eine konservative Katastrophe“ (nicht etwa eine für die Opfer und ihre Freunde), denn die „Probleme“, die Breivik zur Tat veranlasst haben, teilt ein Nationalist ebenso: Die „allgegenwärtigen Integrationsprobleme mit vielen eingewandertn Moslems, die Sorge vor einer schleichenden Islamisierung, die zunehmende Gesinnungsdiktatur aus dem linken Lager, der Werte- und Identitätsverlust europäischer Völker und die mutmaßliche 'Abschaffung' derselben.“17 In der Sache sind sich diese Art von Islamkritikern also mit Breivik in vielen Punkten einig: Das schlimmste was Völkern so passieren kann, ist in Europa eingerissen: Sie verlieren ihre Identität, ihre wertemäßige Orientierung und verlieren ihr Bewusstsein darüber, welch' besonderer Menschenschlag sie in Abgrenzung zu anderen sind. Am Ende weiß ein Patriot ja gar nicht mehr, auf welches Bild nationaler Votrefflichkeit er noch stolz sein soll, wenn er es gar nicht mehr kennt! Auch das nationalistische Misstrauen gegen die „fremden Muslime“ und den offensiv vorgetragenen Zwang an letztere sich gefälligst sittlich einzureihen, sind ihnen Herzensanliegen, weil sie von ihrem Illoyalitätsverdacht gegenüber den bloß eingewanderten „Fremdkörpern“ „mit Migrationshintergund“ nicht lassen wollen. Denen gegenüber trauen sie nicht in Sachen bedingungsloser, unberechnender Zustimmung zum und Einreihung ins jeweilige nationale Kollektiv, schließlich sind sie aus privater Berechnung eingewandert – auch wenn die in der schlechten Alternative mies bezahlter Gastarbeit oder Flucht vor Krieg bestanden haben mag – und haben ihrem eigenen Vaterland den Rücken gekehrt. Solche Leute müssen ihre Treue und ihren Eingliederungswillen über Gebühr beweisen und selbst das macht sie verdächtig – anscheinend haben sie es nötig!

In der Frage der passenden politischen Mittel distanzieren sich allerdings jene Art von Islamkritikern. Die Anwendung privater Gewalt lehnen sie ab, erst recht wenn sie sich gegen Angehörige des eigenen Volkes richtet.18 Zwar stehen sie Gewaltfragen keineswegs abgeneigt gegenüber – gegen härtere Bestrafung jugendlicher Migranten, staatlichen Einwanderungsstopp oder gesetzliche Rückführung von Muslimen haben sie nichts einzuwenden – dass jedoch anstelle des Gewaltmonopols ein Privatmensch aus höheren Pflichtgefühl zu gewalttätigen Säuberungsaktionen schreitet, halten auch sie für eine ungerechtfertigte, eine illegitime Grenzüberschreitung, die keinem Einzelnen, sondern nur der gewählten Regierungsmannschaft zusteht.19

 

5. Zusammenrücken!

Nach dem Massenmord ist ziemlich schnell klar, dass den eigentlichen Schaden nicht die totgeschossenen Jugendlichen und ihre Angehörigen haben, sondern die norwegische Nation. Für Ministerpräsident Stoltenberg ist das nämlich vielmehr eine „nationale Tragödie“ und wird als solche auch zu einem Trauererlebnis für die ganze nationale Familienbande, welche gerade ein paar Volksangehörige verloren hat. Ihr Zeremonienmeister Stoltenberg weiß auch die richtige Antwort auf das Geschehene: „Wenn ein einziger Mann so viel Hass aufbringt, wie viel Liebe können wir da nicht alle gemeinsam entgegenstellen!“ Es kommt schon seltsam, Breiviks Tat aus einem bloßen Gefühl der Abneigung – purer Hass ohne Grund und Inhalt – zu erklären oder ausgerechnet einer Feindschaftserklärung mit Zuneigung zu begegnen. Jedoch ist die Liebe, von welcher Stoltenberg spricht, die Liebe zur betroffenen Heimat. Diese soll gegen ihre eigenen Feinde zusammenrücken, sich darin ihrer eigenen demokratisch-menschlichen Vortrefflichkeit versichern und wissen wer auf jeden Fall ausgegrenzt gehört. „Unsere Antwort ist mehr Demokratie, mehr Offenheit, mehr Humanität. Aber nie Naivität.“ (Stoltenberg) „Niemand soll uns unsere offene Gesellschaft wegnehmen.“ (Volk) „We Love Oslo!“ (Volk) Ohne ein Wort der Kritik wissen Volk und Führung wie man einen abweichenden Nationalisten widerlegt – mit ganz viel patriotischen Gemeinschaftssinn! Werte gegen Gewehre ist angesagt für den guten Teil von Norwegen! Sehr offen und human wird dann auch gleich die maximale Freiheitstrafe von 21 Jahren als unzureichend bemängelt und über die Notwendigkeit verbesserte Überwachung nachgedacht – Naivität in Fragen nationaler Sicherheit will man sich schließlich nicht leisten. Und dank einem Heer von Polizisten, Geheimdienst und moderner Rüstungsindustrie hat ein moderner Staat auch durchschlagendere Argumente als Düngebomben in petto, um gegen Islamismus und sonstige Feinde der „offenen Gesellschaft“ vorzugehen. Dies alles fällt schätzungsweise nicht unter die Kategorie „Wahnsinn“!

Kurzum: Breivik, den radikalen Anhänger der Nation, der Werte, der Opferbereitschaft soll die Bevölkerung ablehnen mit Hilfe von viel Parteinahme für die Nation, die Werte und Opferbereitschaft. So züchtet die Nation schon wieder ihre radikalen Früchte, wenn sie sie bekämpft.

 

 

1Mittlerweile wurde Breivik paranoide Schizophrenie diagnostiziert und somit für zurechnungsfähig erklärt. An seiner Tat wird also die bloße Abweichung vom vorgesehenen staatsbürgerlichen Betragen festgehalten, welche ihren „Grund“ nur in einer krankhaften „psychischen Disposition“ haben kann. Dies stellt sich völlig gleichgültig gegen die von ihm aufgeschriebenen Gründe und Berechnungen, so fehlerhaft und schrecklich nach der Wirkung diese auch sein mögen. Fest steht damit alle mal: Ein gesunder Mensch hält sich an Recht und Gesetz!

Diejenigen auf der anderen Seite, welche sich für ein Gegengutachten einsetzen, können es nicht ertragen, dass Breivik nicht als Verbrecher verurteilt wird. Für sie kommt das einer halben Entschuldigung gleich statt dass er die rechtsstaatliche Härte der Strafe zu spüren bekommt.

2Zitiert nach der SPIEGEL-Ausgabe 31/2011, auch zu finden unter: http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-79723321.html (20.12.2011)

3Zitiert aus „Breivik, 2083 – Eine Europäische Unabhängigkeitserklärung“, hier gefunden: http://www.fr-online.de/kultur/massaker-von-oslo-welche-waffen-erlaubt-der-kampf-,1472786,8761014.html (20.12.2011)

4Die Berliner Zeitung vom 24.07.2011 Zitiert aus Breiviks Manifest

5Zitiert aus „Breivik, 2083 – Eine Europäische Unabhängigkeitserklärung“, hier gefunden: http://www.fr-online.de/kultur/massaker-von-oslo-welche-waffen-erlaubt-der-kampf-,1472786,8761014.html (20.12.2011)

6Genaueres zum Islamismus und seinem Terror im Text „Der Islamismus – Konsequnez, Erbe und Konkurrent eines unzufriedenen arabischen Nationalismus“ von Kritik im Handgemenge. Zu finden unter: http://www.junge-linke.org/de/der_islamismus_konsequenz_erbe_und_konkurrent_eines_unzufriedenen_arabischen_nationalismus

7SZ, 16.10.2010

9Breivik, 2083 – Eine Europäische Unabhängigkeitserklärung, S. 97

10Breivik, 2083 – Eine Europäische Unabhängigkeitserklärung, S. 575

11Ebd.

12Ebd.

13aus der ersten Anhörung; in:WK, 26.7.11

14SZ, 25.7.11

15BLZ, 25.7.11

16Aus Spiegel, Nr.

18Außerdem erblicken sie in den nationalen Regierungen keine Volksfeinde, welche gewaltsam bekämpft werden müssen.

19Die sie selbst gerne übernehmen wollen.