16.01.2015 PDF

Fortsetzung Briefwechsel Alt-Anarchist/gkn (Nationalismus und Rassismus anhand Pegida)

Im Folgenden die Fortsetzung unseres Dialogs mit einem Alt-Anarchisten. In unserem Beitrag thematisieren wir Nationalismus und Rassismus anhand von Zitaten von Pegida-Anhängern.

Der Dialog läuft in der Zeitschrift Gaidao.

Ein Alt-Anarchist antwortete zuerst auf unseren Artikel Zur Psychologisierung von Nationalismus (abgedruckt in Gaidao #45), wobei er die von uns behauptete Gemeinsamkeit von Patriotismus und Nationalismus bestritt (Gaidao #46). In unserer Antwort haben wir versucht, die gedanklichen Schritte, die bei der Befürwortung der Nation gemacht werden, darzustellen, um damit die Identität von beidem zu zeigen (Gaidao #47). In der folgenden Antwort eines Alt-Anarchisten,'Antwort an meine Kritiker', bezieht sich dieser auf den föderalistischen Staat sowie auf Angst von Fremden als Grund für Rassismus (Gaidao #48).

Unten findet sich unsere Antwort 'Nationalismus und Rassismus bei Pegida' (Gaidao #50). Wir bestreiten darin die Erklärung von Rassismus durch Angst vor Fremden. Anhand der derzeitigen Pegida-Demonstrationen wollen wir zeigen, dass bzw. wie deren Rassismus aus der nationalistischen Denkweise folgt.

Unsere Antwort ist auch für sich als Kritik an Pegida lesbar, ohne Bezug zur vorherigen Auseinandersetzung.

 

Ein Altanarchist:

Antwort an meine Kritiker

In einem Artikel über die Totalitarismustheorie und ihre Neubewertung durch den Anarchismus, der zum Abdruck in der Gaidao eingereicht wurde, findet sich der folgende Absatz: „Jedoch kann die anarchistische Bewegung aus der Totalitarismustheorie auch selbst etwas lernen. Zu häufig gefallen sich Anarchist*innen in der radikalen Ablehnung von Staatlichkeit ohne eine genauere Analyse des Staates und seines Aufbaus betreiben zu wollen. Staat ist aber eben nicht gleich Staat. Diese Erkenntnis ist für eine kämpferische Auseinandersetzung mit staatlichen Stellen und eine Emanzipation von selbigen aber sehr wichtig. Hilfreich wäre also durchaus eine Kategorisierung von Staatsformen im Sinne ihres autoritären Charakters und ein Verständnis ihrer Unterschiede und Funktionsweisen.“

Die von den Gruppen gegen Nation und Kapital losgetretene Diskussion über Wesen und Rolle des Patriotismus ist im Kern eine Diskussion der Analyse des Staates oder der unter egalitär-libertären Genossen und Genoss*Innen fehlenden aktuellen Analyse des Staates. Nur so ist es erklärbar, dass eine analytische Kenntnisnahme des föderalen Staates Bundesrepublik in der Gestalt des Grundgesetzes und des sich auf das Grundgesetz beziehenden Patriotismus, als Werben für den Linkskonservatismus missverstanden sowie Positionen als bindend behauptet werden, die ideologische Unterschiede zwischen föderalen und autoritär-zentralistischen Staaten negieren.

Ein Staat, der die „Unantastbarkeit der Menschenwürde“ zur Maxime jedes staatlichen Handelns erklärt, ist kein totalitärer oder autoritärer Staat, der andersdenkende Menschen verfolgt wie der Nationalsozialismus, der italienische Faschismus oder der Bolschewismus in der früheren UdSSR oder DDR. Die Erkenntnis, dass Staat nicht gleich Staat ist und dass sich ein grundlegende Menschenrechte zulassen der Staat von autoritären oder faschistischen Diktaturen unterscheidet, sollte unter uns - gerade auch durch die deutsche Geschichte - eigentlich unbestritten sein. Diese Erkenntnis, dass der föderale Staat Bundesrepublik den Schutz der Menschenwürde zur Maxime seines Handelns erklärt, zieht die Frage nach sich, ob ein Staat der Rolle, die Menschenwürde durchzusetzen, gerecht wird oder nicht. Die Antwort des Altanarchisten und des Anarchismus lautet hier eindeutig: NEIN!

Ihrem Wesen nach beruhen alle Staaten auf der Idee der „notwendigen“ Einmischung einer Gruppe von Menschen in die Belange anderer Gruppen von Menschen, d.h., auf manipulativer Einmischung in die Freiheit anderer Menschen. Diese Einmischung aufgrund mehr oder minder willkürlicher Setzungen stellt an sich die „Unantastbarkeit der Menschenwürde“ in Frage.

Eine zentrale Erkenntnis des Anarchismus liegt darin, dass man keine Texte, Regelwerke oder Gesetze aufstellen und formulieren kann, die künftigen Gegebenheiten und neuen Situationen des Lebens gerecht werden können. Ebenso wie der Dauerstreit der Theolog*Innen über die richtige Auslegung von Bibel und Koran, um neuen Gegebenheiten zu begegnen, die für die Schöpfer der Bibel und des Koran unvorstellbar waren, zeigt der Streit der Jurist*Innen um die richtige Interpretation der Gesetze, dass der Staat in seiner veralteten Gesetzgebung den neuen Situationen und Möglichkeiten des menschlichen Soziallebens hinterherläuft. Seine Eingriffe aufgrund veralteter und vergangener Zustände der Gesellschaft repräsentierende Gesetze in die lebendige Wirklichkeit schaffen eher Ungerechtigkeiten, als dass diese per Gesetz beendet werden.

Die deutlichste Infragestellung der „Unantastbarkeit der Menschenwürde“ ist durch die Frage nach dem Eigentum an Produktionsmitteln gegeben; wenn wir als Anarchist*Innen die Zielsetzung der Verwirklichung einer Gesellschaft, in der die Menschenwürde und Freiheit nicht angetastet werden darf, teilen, müssen wir alle jene Paragraphen des Grundgesetzes ablehnen, die eine kapitalistische Ordnung der Parteienherrschaft, der zentralen Parlamente auf Bundes- und Landesebene und einer höchst fragwürdigen Kontrolle der Exekutive (Verfassungsschutz, Geheimdienst) festschreiben. Es ist unzureichend, im Sinne von Ludwig Erhard lediglich eine Verpflichtung der Produktionsmitteleigentümer einzufordern, ihr Eigentum im Sinne der Allgemeinheit zu verwenden, wie es kürzlich Sara Wagenknecht von der Partei Die Linke in ihrem Buch einforderte. Für uns ist die Enteignung der Eigentümer*Innen an Produktionsmitteln und die Überführung dieser, nicht in staatliche, sondern in die Hände der in der Produktion Tätigen, wesentliche Voraussetzung für eine Gesellschaft, in der die Würde des Menschen unantastbar ist.

Ich setze jetzt einfach mal voraus, dass auch unter Anarchist*Innen die föderale Struktur und Gewaltenteilung der föderalen Bundesrepublik bekannt ist. Der föderale Staat der Bundesrepublik ist entgegen seiner Bezeichnung, kein reines föderales Gebilde, sondern eine Mischform zwischen föderalen und zentralistischen Elementen. Anders als in der kantonalen Schweiz, sind die Bundesländer ihrer inneren Struktur nach zentralistische Staaten eines sehr starken Landesparlamentes und einer, hinsichtlich Aufgaben und Mittel, sehr schwachen städtischen und dörflichen Verwaltung. Beinahe alle in dieser halb föderalen, halb zentralistischen Struktur tätigen Parteien arbeiten seit Jahrzehnten daran, die unterste Ebene des föderalen Staates weiter zu schwächen, den Dörfern und Städten Aufgaben zu entziehen und diese im Gegensatz zur föderalistischen Idee einer Auflösung des Staates in der Gesellschaft den zentralen Länderparlamenten oder Bundesorganen, wie der zentralen Bundesverwaltung oder dem Bundesparlament, zuzuschieben.

Sehen wir jetzt einmal von der Eigentumsfrage an Produktionsmitteln ab, so ist der Föderalismus der Bundesrepublik ein untaugliches, gescheitertes Experiment, da echter politischer Föderalismus aus starken dörflichen und städtischen Gemeinden erwächst, die sich in schwächeren übergeordneten Organen zur Bewältigung von Aufgaben vernetzen; eine Bürgerbeteiligung auf kommunaler Ebene,, wie sie Linkskonservative verschiedentlich fordern, macht nur Sinn, wenn alle staatlichen Aufgaben, die keine länder- , bundes- oder europaweite Koordination erfordern, in den Kommunen entschieden werden; eine Bürgerbeteiligung, um über städtische und dörfliche Bänke und Blumenkästen zu entscheiden, weil alle anderen Aufgaben und Entscheide den zentralen Parlamenten obliegen, ist Volksverdummung und nichts mehr als Augenwischerei.

Die im ersten Artikel des Grundgesetzes ausgegebene humanistische Zielsetzung des föderalen Staates war auch Produkt des langen Prozesses vom Obrigkeitsstaates zum Wohlfahrtsstaat; ging es dem Deutschen Reich zu Beginn dieses Prozesses noch darum, politisch gegen die Sozialdemokratie vorzugehen, indem der Staat einige Forderungen der SPD verwirklichte, so entstand daraus eine politische Tendenz, gesellschaftliche Aufgaben in die Hände des Staates und seiner Bürokratie zu überführen. Durch Überführung gesellschaftlicher Aufgaben in staatliche Hände und damit verbunden, eine beispiellose Bürokratisierung des öffentlichen Lebens, ist der Staat heute zum Prinzip der sozialen Existenz geworden.

Ist ein Mensch arbeitslos, ist er Gegenstand einer staatlichen Bürokratie, die ihm das Einkommen zuteilt und dazu erziehen soll, jede Beschäftigung - sei sie noch so schmutzig und schlecht bezahltanzunehmen; hat ein Mensch Kinder, ist er Gegenstand staatlicher Bürokratie, die darüber wacht, ob in der Erziehung auf staatliche Normen und gesetzliche Vorschriften geachtet wird; ist ein Mensch Autofahrer, ist er Verwaltungsobjekt staatlicher Bürokratie, die das Autofahren erlaubt oder untersagt; ist ein Mensch krank, wird er zum zu verwalteten Objekt staatlicher Bürokratie, die entweder Kliniken unterhält oder privaten Konzernen erlaubt, Kliniken zu unterhalten; will ein Mensch Wissen oder Bildung erlangen, ist er Gegenstand und Verwaltungsobjekt der staatlichen Bürokratie, die Schulen, Universitäten, Forschungseinrichtungen unterhält oder private Bildungseinrichtungen zulässt, soziale Nachteile durch Studiengelder ausgleicht und Kinder, die der staatlichen Erziehung von ihren Eltern vorenthalten werden, mit Zwangsmitteln den staatlichenSchulen zuführt usf.

Auf dem Weg vom Obrigkeitsstaat zum sozialen Wohlfahrtsstaat haben sich die Gewichte verschoben; die Bundesrepublik kann es sich erlauben, allen Menschen Grundrechte einzuräumen; der totalitäre Charakter eines Staates zeigt sich nicht in der Verhinderung von Meinungsfreiheit und Pluralität wie in Ungarn oder Weißrussland, sondern in der bürokratischen Einmischung des Staates in alle Lebensbereiche der sich im Staatsgebiet der Bundesrepublik aufhaltenden Menschen, in der Kanalisierung gesellschaftlicher Beziehungen zu rechtlichen Fragen, die vor Gericht Bestand haben und in der Schaffung rechtlich indirekter Verwaltungsformen, durch die soziale Projekte der Linken und Autonomen wie die St.Pauli-Hafenstraße, die Rote Flora, Christiania usf. in die staatliche Struktur eingebunden wurden, um nicht durch Räumung der Objekte das Risiko langer Straßenkämpfe und sozialer Unruhen eingehen zu müssen. Kaum eines dieser angeblich so revolutionären Projekte stellt heute die bürokratische Verkrustung der Gesellschaft durch den Staat in irgend einer Weise in Frage.

All diese Bereiche des Lebens, in die sich die staatliche Bürokratie einmischt und die heute Gegenstand staatlicher Verwaltung sind, sind Aufgaben der Gesellschaft, die früher von gesellschaftlichen Institutionen wahrgenommen wurden. Arbeiten linkskonservative Patriot*Innen des Grundgesetzes daran, im Sinne des humanistischen Auftrages der staatlichen Verwaltung durch das Grundgesetz, die Auflösung der Gesellschaft im Staat voranzutreiben, noch weitere Bereiche der Gesellschaft staatlicher bürokratischer Steuerung und Kontrolle zu unterwerfen, muss es uns Anarchist*Innen darum gehen, diesem Tun entgegen zu treten und für eine Wiedergeburt der Gesellschaft aus dem Korsett staatlichen Bürokratismus einzutreten. Kurz - der Staat darf nicht das Prinzip des sozialen Lebens bleiben, an seine Stelle muss die Gesellschaft treten. Mehr noch, wo die Gesellschaft Aufgaben an den Staat und seine Bürokratie verloren hat, müssen diese in die Verwaltung und Kontrolle der Gesellschaft zurück überführt werden.

Ich hoffe, dass meinen Kritiker*Innen in der Gaidao-Redaktion und in den Gruppen gegen Nation und Kapital deutlich wurde, wie weit der egalitäre Anarchismus vom linken Konservatismus entfernt, ja, in vielerlei Aspekten gegensätzlich zum Linkskonservatismus und Grundgesetzpatriotismus ist und sich deshalb ein Anschluss an die dort vertretenen Ansichten von selbst verbietet. Wenn der Altanarchist also zur Agitation unter den Patriot*Innen zum Grundgesetz aufruft, so sicherlich nicht, weil er es bei diesem belassen will, sondern um über den gemeinsamen Wert der unantastbaren Menschenwürde als Anknüpfung zu Gesprächen die Leute vom Linkskonservatismus und vom Patriotismus zum Grundgesetz fort- bzw. wegzuführen, um sie für einen libertären, an einer konsequenten von unten nach oben orientierten Föderalismus zu gewinnen.

Beide Texte der Gruppen gegen Nation und Kapital sind ein gutes Beispiel für eine monokausale, möglicherweise vom Marxismus angeregte Erklärung der Wirklichkeit. Nun sollten jedoch alle Genossen und Genossinnen wissen, die seinerzeit durch das Buch „Gödel, Escher, Bach“ die Chaostheorie entdeckt und deren Weiterentwicklung in den Wissenschaften zur Komplexitätswissenschaft mitverfolgt haben, dass Monokausalität nur in Laboren zu finden ist. Daher spricht einiges dafür, dass beide Positionen sowohl des Altanarchisten als auch der Gruppen gegen Nation und Kapital richtig sind und zusammen die Realität abbilden. Anthropologisch lassen sich beispielsweise im Staatsgebiet von Indien mehr als 50 gesprochene Sprachen und über 180 Völker und Volksgruppen unterscheiden, aber es gibt nur eine indische Nation, die alle diese Völker und Volksgruppen „politisch zu einem Volk“ des indischen Staates vereint.

Auffallend beiden Texten der Gruppen gegen Nation und Kapital ist, dass offenbar kaum Erfahrungen mit Wesen und Methode des Rassismus vorhanden zu sein scheinen. Es geht RassistInnen nicht darum, nicht zum „Wir“ des Kollektives gehörende Menschen anzufeinden, sondern es geht darum, in die Alltagskultur des Kollektives bislang integrierte Menschen anderer Hautfarbe, einer anderen Religion, einer anderen politischen oder sexuellen Orientierung oder mit einer Behinderung auszugrenzen.

Das Wesen des Rassismus und Nationalsozialismus besteht darin, dass ein Teil des nationalen Kollektives einen anderen Teil des Kollektives verfolgt und ausgrenzt; dies soll durch eine Konstruktion einer Schädigung des Kollektives seitens der verfolgten Kollektivmitglieder gerechtfertigt werden - mehr noch, die Verfolgten sind in der Konstruktion nur dann als „Schädlinge“ erkennbar, wenn man nicht ihr Nichtdazugehören, sondern vielmehr ihre Teilhabe an der Alltagskultur des nationalen Kollektives voraussetzt. Es ist daher kein Konflikt mit Fremden, sondern ein Konflikt mit Nachbarn, mit Passanten und Kollegen innerhalb des nationalen Kollektives, die für die Rechten und Rechtsradikalen nur fremd erscheinen. Dies können sowohl Menschen mit Migrationshintergrund als auch ganz gewöhnliche deutsche Staatsbürger sein - wie es meiner Cousine in Hamburg passiert ist, die wegen ihrer schwarzen Haare und ihrer etwas dunkleren Hautfarbe als Ausländerin von Rechten angepöbelt, verfolgt und verprügelt worden ist.

Hier steuert die soziologische Feldforschung die Erkenntnis bei, dass die Furcht vor Menschen einer anderen Hautfarbe, Religion oder Kultur dort am ausgeprägtesten ist, wo es kaum Erfahrungen mit Menschen einer anderen Religion, Kultur oder Hautfarbe gibt. Je mehr Menschen daher in ihrem Alltag nur mit Menschen ihrer eigenen Kultur und Hautfarbe zu tun haben, um so größer ist die Verunsicherung durch Menschen, die von dieser „Normalität“ abweichen. Selbst unter Anarchist*Innen werden die wenigsten Menschen in zwei Volkskulturen aufgewachsen sein und im Klassenverband in der Schule Mitschüler*Innen aus vielen verschiedenen Kulturen kennengelernt haben wie der Altanarchist. Daher werden nur wenige Genossen und Genoss*Innen über konkrete Erfahrungen verfügen, die Vorhaltungen zur Liebe der einen Nation durch die positive Erfahrung der zweiten Nation sinnlos machen, um Menschen zum Vorgehen gegen „Schädlinge“ zu bewegen; kurz - die wenigsten Menschen verfügen über Erfahrungen kultureller und nationaler Transzendenz, die Nationalkulturen als willkürliche menschliche Setzungen deutlich hervortreten lassen und einen davor schützen, in den singulär-nationalistischen Gesangsverein zur Ausgrenzung Anderer einzustimmen - eben weil man sich dann eigentlich selbst ausgrenzen müsste.

 

 

 

 

Unsere Antwort

 

Nationalismus und Rassismus bei Pegida

An den Alt-Anarchisten,

 

schwer nachvollziehbar für uns, wie Du vom Thema Nationalismus auf das Thema Föderalismus kommst, und erstaunlich, inwieweit Dir der Staat mit seinem Bekenntnis zu Menschenwürde als Schritt hin zur befreiten Gesellschaft gilt. Wir würden nicht sagen, dass die Diskussion über Nationalismus im Kern eine Diskussion über den Staat sei, wie du behauptest. Die Prinzipien des Staates wären nochmal ein anderes Thema – allerdings auch ein sehr spannendes. Natürlich gibt es Zusammenhänge zwischen dem Staat, seiner Politik und Nationalismus sowie Rassismus andererseits. Vor allem, das wurde in der Diskussion bereits erwähnt, dass der Staat nach bestimmter Gesetzgebung Menschen zu seinen Staatsangehörigen macht, das Deutsch-, Österreichisch-, usw. Sein hervorbringt, und es dadurch überhaupt erst den Unterschied von In- und Ausländer*innen gibt, auf den sich Rassismus bezieht.

Uns ist wichtig, dass unsere argumentative Auseinandersetzung um Nationalismus und Rassismus um eine Klärung dieser Phänomene geht. Wir stimmen Dir nicht zu, „dass beide Positionen sowohl des Altanarchisten als auch der Gruppen gegen Nation und Kapital richtig sind und zusammen die Realität abbilden‟. Tatsächlich hast Du in Deiner Antwort ja auch gegen uns argumentiert, und wir wiederum gegen deine Ausführungen. Unsere inhaltliche Auseinandersetzung macht doch nur Sinn, insofern es um die richtige Erklärung von Nationalismus geht. Es geht dabei nicht ums Recht-haben um besser dazustehen als jemand anderes, sondern um ein Verständnis von gesellschaftlichen Zuständen, damit sie überwunden werden können. Mono- oder Multikausalität ist für uns kein Kriterium, an dem sich inhaltliche Fragen entscheiden lassen. Solche Vorwürfe lassen sich in jeder Diskussion zur Diskreditierung von bestimmten Ansichten bringen, ohne dass diese damit anhand ihrer Aussagen widerlegt werden.

Am Ende deiner Antwort schreibst Du noch was zu Nationalismus und Rassismus. Ein zentraler Punkt von Dir ist, dass Rassismus nicht gegen Fremde gehe, sondern gegen zum Kollektiv Dazugehörige, die aber von den Rassist*innen aufgrund von Abweichungen von der Norm – Menschen mit „anderer Hautfarbe, einer anderen Religion, einer anderen politischen oder sexuellen Orientierung oder mit einer Behinderung‟ – ausgegrenzt werden. Der Grund dafür sei Furcht vor diesen Menschen. Soziologische Feldforschung habe ergeben, dass diese Furcht dort am größten ist, wo es die wenigsten Erfahrungen mit diesen Menschen gibt. Diese Theorie hört man derzeit auch sehr oft in der öffentlichen Befassung mit den nationalistischen Versammlungen der Pegida in Dresden. Das soll insbesondere plausibel sein, da die Menschen in Dresden in der ehemaligen DDR aufgewachsen sind und keinen Kontakt zu Migrant*innen gehabt hätten; Sachsen habe auch jetzt eine geringe Ausländerquote.

Diese Erklärung halten wir für unzutreffend. Das soll im Folgenden begründet werden. Dabei werden die Ausführungen zu Nationalismus unserer letzten Antwort an Dich nochmal an Beispielen aufgegriffen und zugleich die öffentliche Reaktion auf Pegida kritisieren.

 

Angst vor Fremden

Menschen haben erstmal überhaupt keine Angst vor von der Norm Abweichendem oder Fremdem. Geradezu als ob sie diese Furcht-Theorie widerlegen wollen, reagieren Kinder, die aufgrund ihres Alters keine Erfahrungen z. B. mit Menschen im Rollstuhl oder anderer Hautfarbe haben, nicht mit Furcht, sondern mit Neugierde. Und wenn die befriedigt ist, sind Hautfarbe und Rollstuhl für sie das Letzte, was einem Kontakt im Weg steht. Überhaupt sprechen die Äußerungen von Rassismus einer angeblichen Furcht eher Hohn. Wenn, was sehr bedauerlich ist, Deine Cousine von Rassist*innen aufgrund ihrer Hautfarbe angegriffen wurde, war das dann die Angst der Täter*innen? Angst wovor eigentlich genau, und warum haben sie dann nicht die Flucht ergriffen? Sind die Tausenden, die einmütig „Wir-sind-das-Volk‟ oder „Lügenpresse-halt-die-Fresse‟ brüllen ängstliche Häschen, die man nur beruhigen müsste? Es mag sein, dass bei diesem Rassismus auch Sorgen über die eigene materielle Lage unterwegs sind; entscheidend ist aber die nationalistische Sichtweise und Verarbeitung, um bei Hetze und Feindseligkeit auf (vermeintlich) Nicht-Deutsche und angebliche Schädlinge der Nation rauszukommen – sonst würden die Demonstrant*innen gegen ihre schlechte materielle Lage protestieren. Es geht Neonazis wie patriotischen Europäer*innen nicht um ihre persönliche materielle Lage, sondern um ihr Land, wie folgendes Zitat beispielhaft zeigt: „Ich hab keine Angst, ich sehe einfach nur Deutschland in Gefahr. Das ist keine Angst.‟ (Pegida-Demonstrantin. Interview von panorama, online verfügbar)

Die nationalistische Verarbeitung ist die – soweit sie sich z. B. was den Rassismus betrifft unter die staatlichen Maßstäbe unterordnet, und das ist bei Pegida nicht mehr der Fall – staatlicherseits erwünschte Parteinahme und Identifizierung mit der Nation. In dieser Denke wird das gesellschaftliche Geschehen jeweils in Blick genommen unter der Frage nach Pflichterfüllung am harmonisch vorgestellten Gemeinwesen. Zu dieser Betrachtung kommt man, wie in unserem letzten Brief ausgeführt, indem man die Nationalität als vorstaatliche sieht – etwas, das den Menschen quasi von Natur aus zukomme. Das ist natürlich absurd, denn es bedarf ja gerade der staatlichen Herrschaftsleistung durch Gesetzgebung und Verwaltungsakte, dass Menschen eine Staatsbürgerschaft haben. Die Staatsangehörigkeit auf diese Weise überhöht und in das Wesen der Menschen gelegt, stellen sich Nationalist*innen die Nation als arbeitsteilige Gemeinschaft vor. Es sei dann einfach selbstverständlich, dass man für Deutschland ist, sich unterordnet, einbringt und sich mit der Nation und deren Drangsalen identifiziert. Und umgekehrt, diejenigen, die nicht oder nicht ursprünglich deutsch sind, stehen unter Generalverdacht, sich am Gemeinwesen zu vergehen. In der Logik weitergedacht sind auch Inländer*innen, die nichts zum Gemeinwesen beitragen, Schädlinge. So erklärt sich die Feindlichkeit von Rechtsradikalen gegenüber Menschen mit Behinderung und Obdachlosen.

Die irgendwo zwischen normal-patriotischen und Rechtsradikalen angesiedelten Demonstrant*innen bei Pegida sehen nun ihre hochgeschätzte nationale Gemeinschaft nicht nur von Muslim*innen in Gefahr gebracht, sondern zugleich von Politik und Medien verraten. Es ist dabei irrelevant, wie viele Migrant*innen tatsächlich in Sachsen leben, oder ob ihr Verdacht gegen die „Lügenpresse‟ zutrifft. Ihre Schlüsse verdanken sich keiner auch nur halbwegs nüchternen Prüfung der Verhältnisse, sondern ihrer nationalistischen Betrachtungsweise. Der in der Öffentlichkeit gebrachte Hinweis auf die Realitätsferne der Demonstrant*innen stimmt insofern, allerdings wird dabei diese ihre Betrachtungsweise, die zum nicht nur antimuslimischen Rassismus führt, ignoriert. Ein paar Zitate von Pegida, aus denen ihre Vaterlandsliebe und der Übergang zum Rassismus deutlich werden:

 

Aussagen der patriotischen Europäer*innen

Liebe Freunde, man stelle sich vor, deren [der Gegendemonstrant*innen] heutiges Motto, zeigt das Gedankengut dieser Leute eindeutig auf. Es heißt nämlich: GEGEN HEIMAT, GEGEN VOLK & GEGEN VATERLAND. Ich bin empört, dass unsere Volksvertreter mit solchen Leuten gemeinsame Sache machen!‟ (Lutz Bachmann in einer Pegida-Rede)

 

Ich bin nicht gegen alle Ausländer. Wir kommen aus einem Dorf hier bei Dresden, da gibt es einen Dönermann, ein Türke. Der arbeitet hart und ist anständig. Der ist in Ordnung.“ Ein Pegida-Demonstrant. (Zitiert in taz, http://www.taz.de/Pegida-Demonstration-in-Dresden/!151378/)

 

Was will ich denn bewirken? Dass ich gegen die Ausländer bin, dass die hier reinkommen. Und die kriegen einen Haufen Geld. Ich bin Rentner, ich kriege eine kleine Rente und ich geh noch arbeiten, dass ich über die Runden komme.‟ (Pegida-Demonstrant. Interview von panorama)

 

Angesichts der Klarheit dieser Äußerungen ist es absurd, wenn in Medien behauptet wird, dass unklar sei, wer und was sich bei Pegida äußere (vgl. FAZ vom 20.12.14: Weil Lutz Bachmann keine der Thesen des Pegida-Positionspapiers in seinen Reden verlesen habe, „ist die Frage, wofür Pegida steht, was die Bewegung wirklich will, kaum zu beantworten‟.). Die Demonstrant*innen wollen ein Deutschland mit einer „deutschen‟ Kultur (was immer das sei), sie tun ihre Zuneigung zu „ihrem‟ Deutschland kund und ihre Ablehnung von Ausländer*innen. Von radikalen Muslim*innen sehen sie das Vaterland unterwandert. Sie äußern ihre Wut auf Politiker*innen, die nicht ausreichend gegen die angebliche Unterwanderung vorgehen, und „Schmarotzer‟ am Gemeinwesen.

Was in den Zitaten ersichtlich wird, ist der Übergang von den wahrgenommenen Differenzen zwischen Realität und nationalem Ideal zur Suche nach Schuldigen. Dabei geht es rassistisch zu, denn es wird von einem Wesen der Menschen ausgegangen, von dem das auf die nationale Gemeinschaft bezogene Verhalten abhängt. Wie die Staatsangehörigkeit zurückgehe auf eine quasi-natürliche Eigenschaft der Menschen, so hängt das der nationalen Gemeinschaft zu- und abträgliche Verhalten ebenso vom diesem ab. Im zweiten Zitat wird das deutlich. Erstmal gilt, dass Ausländer*innen sich nicht unterordnen und einbringen für das ihrem Wesen fremde Kollektiv. Durch harte und anständige Arbeit – also die individuelle Willensleistung entgegen der Wesensbestimmung – könne allerdings noch eine Bewährung erfolgen. So könne dann eine Ausnahme von der Ablehnung gemacht werden. Hier wird auch das national-moralische Kriterium des Opfer-Bringens für das Gemeinwesen deutlich.

Wenn, wie im dritten Zitat, Ausländer*innen für die geringe Rente verantwortlich gemacht werden, handelt es sich höchstens untergeordnet um eine Beschwerde über geringe Rente oder Ausdruck von Angst um die materielle Existenz. Es handelt sich um eine Feindschaftserklärung gegen Ausländer*innen und es drückt die Überzeugung aus, dass es in der Nation zuvörderst um die Deutschen zu gehen habe; um die, die mit ihrer Arbeit das Opfer für das Gemeinwesen gebracht haben und denen deswegen eine „gerechte‟ Entlohnung (z. B. in Form von Rente) zustehe. Das nationalistische Gerechtigkeitsempfinden ist verletzt und das Letzte, was die Person macht, ist ihre Vorstellung von Nation zu hinterfragen; wenn das Ideal nicht wie erwartet aufgeht, kann das einfach nur an den minderwertigen, bösartigen Ausländer*innen liegen. Diese Sichtweise ist von den eigenen materiellen Interessen ziemlich losgelöst und besteht im Festhalten am nationalistischen Ideal, von dem aus nach Schuldigen gefahndet wird; und in dieser Sichtweise sind es prinzipiell Nicht-Deutsche, die für die Probleme in der doch eigentlich harmonischen Volksgemeinschaft verantwortlich sind.

Die rassistische Hetze geht an den tatsächlichen Ursachen von Altersarmut völlig vorbei: Arm ist der*die Rentner*in, weil der Zweck der sozialen Marktwirtschaft nicht die Versorgung der Menschen, z. B. auch derjenigen, die aufgrund ihres Alters nicht mehr arbeiten können, ist, sondern die Kapitalverwertung. Daran ändern die vom Staat eingerichteten Sozialversicherungen nicht nur nichts, sie dienen umgekehrt erst der Möglichkeit dauerhafter Erwirtschaftung von Profiten. Denn Renten- und andere Sozialversicherungen richtet der Staat ein, weil die lohnarbeitende Klasse, die es im Kapitalismus braucht, aufgrund der Vernutzung nicht lange überdauern würde; er zwingt zu Sozialabgaben, da die Löhne für die Bedürfnisse zu niedrig sind, als dass Leute noch Geld hätten für Krankheit und Alter. Die Rentenkürzungen der letzten Jahre sind dem Interesse des Staates an seinem Wirtschaftswachstum in einer verschärften globalen Konkurrenz geschuldet. Nicht weil es immer weniger Nachwuchs und relativ mehr Alte gibt, ist die Versorgung von alten Menschen ein Problem, sondern weil der wirtschaftliche und damit politische Erfolg des Landes auf geringen Kosten für Arbeit, und das schließt die Kosten für die Altervorsorge ein, beruht. Von den technischen Möglichkeiten her wäre es kein Problem, alle arbeitsfähigen und -unfähigen Menschen zu versorgen, auch wenn weitaus mehr ältere und weniger jüngere Leute im Land gäbe.

Wenn für geringe Renten Ausländer*innen verantwortlich gemacht werden, handelt es sich also um Nationalismus, von dem der Rassismus ausgeht. Zentral sind dabei nationalistische Sorgen und rassistische Vorstellungen und nicht Angst vor Abweichendem. Die nationalistische Perspektive ist in unterschiedlichen Ausprägungen in den verschiedenen Klassen und Schichten dermaßen verbreitet, dass die nationalistischen Sorgen, die die Bürger*innen bei Pegida umtreiben, ganz allgemein als Sorgen und Ängste gelten. Das zeigt sich auch in den öffentlichen Reaktionen und „Gegenargumenten‟ gegen Pegida.

 

Nationalistische Argumente gegen die patriotischen Europäer*innen

Eine Untersuchung hat gezeigt, dass integrierte Flüchtlinge keine volkswirtschaftliche Belastung sind. Ganz im Gegenteil. Wir brauchen Zuwanderung von jungen Leuten, damit unser Sozialsystem und unsere Volkswirtschaft eine Zukunft haben.‟ (Bischof Dröge im Interview mit der Berliner Zeitung. http://www.berliner-zeitung.de/berlin/fluechtlinge-in-berlin-bischof-droege-ist-erstaunt-ueber-pegida-erklaerung,10809148,29405036.html)

 

Es fehlen doch die jungen Menschen, um die Sozialsysteme zu finanzieren, es fehlen die Facharbeiter, die Erfinder und Firmengründer. Viele von denen, die jetzt ins sichere Deutschland kommen, wollen diese Lücken füllen. Sie sind gut ausgebildet und können sich integrieren.‟ (Kommentar auf süddeutsche.de. http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/wirtschaft-und-weihnachten-die-grosse-versoehnung-1.2279854)

 

Aus antirassistischer Perspektive sind diese Aussagen ziemlich ekelhaft. Aber warum eigentlich genau? In beiden wird gegen die Anti-Asyl-Demonstrant*innen argumentiert. Beides sind Appelle für die Aufnahme von Flüchtlingen.

Zentral bei beiden Aussagen ist, dass sie den Rassist*innen auf der Straße fast völlig Recht geben. Sie teilen die nationalistische Logik, treiben sie lediglich rassistisch nicht so weit, wie die Demonstrierenden in Dresden und anderswo. Ihr Argument ist, dass die Ausländer*innen „uns‟ nützen, dass sie als Mittel gegen die Probleme Deutschlands gebraucht werden. Ganz zentral ist also auch hier der Ausgangspunkt die angebliche nationale Gemeinschaft, zu der mit dem „wir‟ bzw. „uns‟ vereinnahmt wird. Die Perspektive, von der aus sie argumentieren, ist ebenfalls die Sorge um Deutschland, insbesondere das Funktionieren der wirtschaftlichen Ordnung und der Sozialsysteme. Weil die Ausländer*innen einen Beitrag zu diesen leisten, solle man doch bitte ein Auge zudrücken. Damit wird zugestimmt, dass Ausländer*innen hier nicht hingehören, dass es das Deutschland der (arbeitswilligen) Deutschen ist, dass höchstens Ausnahmen für Flüchtlinge macht (die übrigens vor den Verhältnissen flüchten, die von der westlich-kapitalistischen Weltordnung mit ihren Interessen größtenteils hergestellt werden), wenn sie denn für die Interessen Deutschlands brauchbar sind.

Tatsächlich ist da vom Prinzip her schwerlich eine Differenz auszumachen zu dem Demonstranten, der in seiner generellen Ausländerfeindlichkeit allein beim hart arbeitenden, anständigen Türken eine Ausnahme macht. Bischof wie Kommentator haben lediglich staatsbürgerlich-professioneller Volkswirtschaft und Sozialsysteme im Auge (und konkret gut ausgebildete Fachkräfte), wenn sie argumentieren, dass die jungen Leute viel mehr solche Ausnahmen von den eigentlich nichtsnützigen Ausländer*innen sind, als die Demonstrant*innen das erkennen würden. Weiterhin nehmen Bischof wie Kommentator die Gesellschaft der Konkurrenz, in der der wirtschaftliche Erfolg auf geringen Löhnen und möglichst langer und intensiver Arbeit basiert – Arbeitgeber*innen und Arbeitnehmer*innen also im Gegensatz zueinander stehen (ganz zu schweigen von dem sonstigen Gegeneinander in dieser Gesellschaft in Arbeitsmärkten, Hochschulen usw.), als eine Gemeinschaft, die für die Leute da wäre. Denn sie appellieren wie selbstverständlich an die Sorge um „unsere‟ Volkswirtschaft, als ob die für die Menschen eingerichtet wäre. Dabei braucht es zu der gegenteiligen Erkenntnis wirklich nicht viel empirischer Sozialforschung. Auch anhand der Härten der Sozialsysteme wird klar, dass die nicht für die Leute eingerichtet sind, sondern um diese möglichst schnell wieder in Dienst für Unternehmen zu bringen.

Das Fatale ist also, dass sich die Presse mit der patriotischen Brille gegen Pegida wendet. Dann geht es darum, welche Ausländerpolitik denn nun wirklich Deutschland nütze. Die Presse folgt dabei hauptsächlich den Vorgaben der Politik, die von Berufs wegen das nationale Wohl, das heißt Wirtschaftswachstum, zum Ziel haben. Allein an der Offenheit, mit der die nationalen Interessen bezüglich Migrant*innen als Arbeitskräfte ausgesprochen werden, zeigt sich die Äußerlichkeit der demokratischen Werte Pluralismus und Toleranz. Denn wenn offen gesagt wird, dass die Wirtschaft Deutschlands gut ausgebildete Arbeitskräfte brauche, dann heißt die Ansage tolerant zu sein nichts anderes, als die nützlichen Migrant*innen doch bitteschön zu dulden. Dass sich Leute bei dem durchgesetzten patriotischem Konsens in ihrem Patriotismus und dem verbundenen Rassismus in dessen Brutalität auch mal nicht an öffentliche Vorgaben halten, ist allerdings kein Wunder.